Producing Knowledge with/about Machines (auf englisch)
Moderation: Paula Helm (Tübingen)
14:00–14:40 Uhr
Wulf Loh (Tübingen): Lernen mit und von Augmented Reality. Ein Wandel im Wissenserwerb?
In jüngerer Zeit legen Pädagogik und Psychologie einen verstärkten Fokus auf Anwendungen der Augmented Reality (AR), da damit das „Versprechen verbunden ist, direkte, automatische und umsetzbare Verbindungen zwischen der physischen Welt und elektronischen Informationen zu schaffen“ (Schmalstieg/Hollerer 2016). Hiervon versprechen sich viele eine Herabsenkung der kognitiven Belastung und damit insgesamt eine Steigerung der Lernleistung. In diesem Vortrag interessiert mich jedoch vor allem, ob und wie sich durch den Einsatz von AR die Art des erworbenen Wissens verändert und welche möglichen Auswirkungen dies haben könnte.
Ausgehend von der langjährigen erkenntnistheoretischen Debatte über die Unterschiede zwischen Knowledge-How (KH) und Knowledge-That (KT), untersucht der Vortrag verschiedene Möglichkeiten, wie AR-Umgebungen das Lernverständnis und die Art des aufgenommenen Wissens durch Visualisierungen, Trial-and-Error-Lernen sowie Gamification-Elemente verändern. Infolgedessen steht im Raum, ob der Einsatz von AR im Bildungsbereich zu einer Verschiebung des Wissenserwerbs von Faktenwissen zu Kompetenzen beitragen und damit den seit längerem stattfindenden Paradigmenwechsel in der Lehr-/Lerntheorie vom enzyklopädischen Faktenwissen hin zur Vermittlung von Kompetenzen und Soft Skills noch unterstützen kann.
14:40–15:20 Uhr
Katharina Kinder-Kurlanda (Klagenfurt): Kollaborationen zwischen Menschen und Maschinen in der Produktion von Wissen
In verschiedensten akademischen Disziplinen wird vermehrt mit neuen Datenquellen gearbeitet, wie etwa mit Social-Media-Inhalten oder mit Datenspuren, die durch den Gebrauch von Internet-of-Things-Technologien erzeugt wurden. In der Analyse dieser Daten kommen neue Forschungsmethoden der Data Science und des Machine Learning zum Einsatz, wie sie auch vielfach etwa auf Social-Media-Plattformen verwendet werden, um Nutzerverhalten zu analysieren, Trends zu spiegeln oder gar vorherzusagen. Neue Arten der Wissensproduktion entstehen dabei aus komplexen Kollaborationen menschlicher und nicht menschlicher Akteure. Die hier gemeinte Forschung ist eingebettet in ein Netzwerk aus Verbindungen zwischen den veränderlichen Affordanzen (kommerzieller), mehr oder weniger automatisierter und algorithmisch kuratierter Internet-Plattformen; den Werkzeugen von Drittanbietern, die Datenerfassung, -aufbereitung und -analyse unterstützen; verschiedenen Daten-Formaten; Forschungsinstitutionen und -infrastrukturen; bis hin zu den von Forschungsgemeinschaften selbst bereitgestellten Tools und Plattformen. Wer als Urheber bestimmter Daten oder Inhalte wie agiert ist nicht mehr unbedingt ersichtlich oder nachvollziehbar. Eine traditionelle Quellenkritik etwa stieße schnell an ihre Grenzen.
Im Vortrag sollen die neuen Kollaborationen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren in der Erzeugung von Wissen beleuchtet werden. Dabei steht auch im Vordergrund, wie diese Kollaborationen sowohl global vernetzt als auch lokal verankert sind.
15:20–16:00 Uhr
Claudia Müller-Birn (Berlin): Von den Herausforderungen und Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit
In den letzten Jahren hat sich der Bereich der datengestützten Entscheidungsunterstützung aufgrund bedeutender Fortschritte auf dem Gebiet des maschinellen Lernens rasch entwickelt. Diese Entwicklung hat neue Möglichkeiten in einer Vielzahl von sozialen, wissenschaftlichen und technologischen Bereichen eröffnet. Aus der Erfahrung, insbesondere im sozialen Bereich, wird jedoch immer deutlicher, dass die Konzentration auf rein statistische und numerische Aspekte bei der Datenanalyse weder soziale Nuancen erfasst noch ethische Kriterien berücksichtigt. Eine weit verbreitete Annahme ist, dass datenbasierte Softwaresysteme Menschen in ihren Entscheidungsprozessen ersetzen können. Häufig wird die Einführung von Software als „Substitutionsproblem“ verstanden. In einem festen menschlichen Arbeitsablauf werden bestimmte Aufgaben durch einen Algorithmus ersetzt, was u.a. zu weniger Arbeit, weniger Fehlern und höherer Genauigkeit führt. Es müssen jedoch zwei Herausforderungen berücksichtigt werden: Technologien sind nicht wertneutral. Das Delegieren ehemals manueller Aufgaben an Software (oder umgekehrt) führt zu erheblichen Verschiebungen der sozialen Praktiken und Verantwortlichkeiten.
Daher plädiere ich in diesem Vortrag für einen alternativen Ansatz beim Entwurf von Softwaresystemen. Durch den Einsatz partizipativer Methoden sollten bestehende Interdependenzen kollaborativer Mensch-Maschine-Aktivitäten offengelegt werden. Die mit diesen Methoden gewonnenen Erkenntnisse können die quantitativen Ergebnisse des maschinellen Lernens durch qualitative Daten ergänzen. Darüber hinaus sollte das Entscheidungsmodell des genutzten Algorithmus transparent kommuniziert und interaktiv von Menschen erforscht werden können.